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FOKO Kongressbericht

Peripartale Depression: Mehr als nur Babyblues

Die peripartale Depression betrifft bis zu 15 % der Frauen und beginnt oft schon in der Schwangerschaft. Anders als der Babyblues ist sie ernsthaft und langwierig – und erfordert frühzeitige Behandlung.

Eine Frau im Wochenbett. Sitzt im Schlafanzug auf dem Boden und hält sich mit beide Händen de Kopf
Nicht nur Hormone: Peripartale Depression beginnt oft vor der Geburt und braucht professionelle Hilfe kieferpix/tondruangwit/stock.adobe.com_edited by Thieme)

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Bis zu 15% der Schwangeren und der Frauen in der Postpartalzeit leiden an einer peripartalen Depression, die jedoch viel zu selten erkannt und noch seltener ausreichend behandelt wird. Die Studie „UPlusE“ (Untersuchung für Kinder Plus Eltern) möchte durch ein Screening die Grundlage dafür legen, dass sich dies zukünftig ändert. Dr. Susanne Simen, Nürnberg, stellte ihre Studie vor, an der sich Frauenärzt*innen beteiligen können.

„Frauen, die sich mit postpartalen depressiven Symptomen ihrem Gynäkologen anvertrauen, hören immer noch: das sind doch nur die Hormone!“, berichtete Dr. Simen. Dies stimmt jedoch nur für den „Babyblues“, das postpartale dysphorische Syndrom, das 40-80% der Mütter in den ersten Tagen nach der Entbindung erleben, weil die Hormonspiegel stark abfallen. Die Frauen sind affektlabil und fühlen sich weinerlich, ängstlich und besorgt. Der Höhepunkt ist meist am 3. Tag, dann klingt die Verstimmung innerhalb kurzer Zeit spontan ab. 

Babyblues ist nicht gleich Depression

Ein völlig anderes Krankheitsbild ist die peripartale Depression, an der etwa 10-15% der jungen Mütter erkranken. Sie beginnt oft schon während der Schwangerschaft, erfordert eine Behandlung und erweist sich oft als langwierig, denn nach drei Jahren weist noch jede vierte betroffene Frau deutliche depressive Symptome auf [1].

Das Hauptsymptom der peripartalen Depression ist der Energiemangel. „Die Frauen haben keine Energie, um das Kind zu versorgen oder irgend etwas anderes zu tun; ihre Gedanken kreisen darum, eine schlechte Mutter zu sein. Sie werden gequält von Insuffizienzgefühlen, hoher Reizbarkeit, Angst und oft auch von Zwangsgedanken, wie es wäre, dem Kind Schaden zuzufügen – die Betroffenen tun das nicht, aber sie meiden ihre Kinder“, schilderte Dr. Simen eindrucksvoll den riesigen Leidensdruck, der auch Suizidgedanken hervorruft. Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen für Frauen im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes [2], [3]. 

Peripartale Psychiatrie: Neue Wege in der Schwangerenvorsorge

Eine durch die peripartale psychische Erkrankung der Frau belastete Schwangerschaft bringt auch Risiken für das Kind, denn es kann Schaden nehmen z.B. durch eine epigenetische Programmierung mit mangelnder Stressregulation oder durch ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko. Eine mangelhafte emotionale Bindung der Mutter an ihr Kind, unzureichende Versorgung und fehlender Schutz können das gesamte Leben des Kindes beeinträchtigen. So treten etwa Regulationsstörungen, psychische Störungen im Kindes- wie im Erwachsenenalter sowie kardiovaskuläre und immunologische Erkrankungen bei Kindern von Müttern mit peripartaler Depression vermehrt auf. 

Verhindert werden kann all dies durch Früherkennung, für die ein einfacher Test zur Verfügung steht, die Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) [4]. Um den Aspekt der Traumatisierung besser zu erfassen, wurde der Test in Nürnberg um drei Fragen ergänzt [5]. Alle Geburtshilfekliniken in Nürnberg nutzen den Bogen, um belastete Schwangere frühzeitig herauszufiltern und z.B. eine traumasensible Begleitung zu planen.

Die Behandlung betroffener Frauen erfolgt medikamentös mit Antidepressiva, die in der Schwangerschaft einsetzbar sind, ferner mit Psychotherapie und mit einem gut aufgespannten Netzwerk aus psychosozialer Unterstützung. In einer Nachuntersuchung zeigte sich bei schwer depressiven Frauen ein ausgezeichneter Erfolg der Maßnahmen: Nach 8-10 Wochen fand sich eine fast vollständige Remission der Depression. 

Früherkennung durch Screening in der gynäkologischen Praxis

Über die Kommunikations-App „Meine GynPraxis“ kann man sich nach Registrierung an der UPlusE-Studie beteiligen, wodurch der Fragebogen auch direkt der Patientin angezeigt wird. Bisher wird UPlusE in Selektivverträgen mit einzelnen Krankenkassen umgesetzt, aber langfristig sollen das psychiatrische Schwangeren-Screening als vergütete Regelversorgung etabliert und eine flächendeckende peripartal-psychiatrische Versorgung in Deutschland geschaffen werden.


Quellen

maternalmentalhealthalliance.org/news/mbrrace-mental-health-issues-remain-leading-cause-maternal-death/