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FOKO Kongressbericht

Wenn Medikamente sich in die Quere kommen: Hormontherapien unter dem Einfluss von Psychopharmaka

Psychopharmaka wie Antidepressiva oder Antikonvulsiva können die Wirkung hormoneller Verhütungsmittel und Krebstherapien erheblich beeinflussen – ein oft unterschätztes Risiko in der gynäkologischen Praxis.

Pillenblister in der Hand einer Frau
Carbamazepin und Johanniskraut können die Wirksamkeit hormoneller Verhütungsmittel um bis zu 60 % reduzieren. (Maha Heang 245789/tondruangwit/stock.adobe.com_edited by Thieme)

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Jeden Tag kommen Frauen in die Sprechstunde, die wegen einer psychischen Beeinträchtigung Medikamente einnehmen. Nicht immer harmonieren diese mit gynäkologischen Erfordernissen wie hormoneller Empfängnisverhütung oder der Tamoxifenbehandlung von Brustkrebspatientinnen. Dr. med. Dominik Dabbert, Bremen, präsentierte im Rahmen des FOKO 2025 einige kritische Wechselwirkungen.

Sie entstehen, wenn die eingesetzten Medikamente eine starke Enzyminduktion, insbesondere von Cytochrom P450 1A2 und 3A4 (CYP1A2 und CYP3A4) auslösen. Diese beschleunigt den Abbau von Sexualhormonen in der Leber, wodurch deren Bioverfügbarkeit sinkt. Ein Beispiel dafür ist Carbamazepin, ein Antikonvulsivum, das bei bipolarer Störung eingesetzt wird. Die Bioverfügbarkeit von Estradiol, Ethinylestradiol, Norethisteron und Levonorgestrel wird durch Carbamazepin um 50-60% gesenkt. Eine Verhütung mit Intrauterinpessaren (IUP) ist für diese Frauen am naheliegendsten. „Die reduzierte Wirksamkeit von Levornorgestrel betrifft auch die Notfallkontrazeption! Wenn die Patientin Carbamazepin oder einen anderen CYP 3A4-Induktor in der Medikation hat, soll laut Hersteller die doppelte Levonogestrel-Dosis gegeben werden“, erinnerte Dr. Dabbert.

Hormontherapie und Psychopharmaka im Konflikt

Eines der meistverkauften Antidepressiva ist Johanniskraut (Hypericum perforatum). Bei leichter bis mittelschwerer Depression sind Hypericumextrakte vergleichbar effektiv wie chemisch definierte Antidepressiva, werden aber häufig als Selbstmedikation verwendet. „Gynäkolog*innen sollten daher immer aktiv danach fragen, denn spontan wird nur selten über die Einnahme berichtet – aber Johanniskraut verursacht ordentliche Wechselwirkungen“, warnte Dabbert [1]. Bei dauerhafter Anwendung erfolgt eine Induktion von CYP2C19 und von CYP3A4, wodurch die Elimination von Ethinylestradiol etwa verdoppelt wird. Dies geschieht mit hoher Varianz, sodass der der Spiegel auf 80-20% des Ausgangswerts sinken kann.

Enzyminduktion senkt Hormonspiegel drastisch

Auch hier bieten sich als Verhütungsalternative die verschiedenen IUPs an, aber aus Sicht des Psychiaters gibt es einen anderen sinnvollen Ansatz: Die Indikation für Johanniskraut überprüfen. „Gerade bei leichter bis mittelschwerer Depression muss es nicht immer Pharmakotherapie sein. Am besten wäre es, über die Depression ins Gespräch zu kommen und die Diagnose klären.“

Lamotrigin, ebenfalls ein Antikonvulsivum, wird im Wesentlichen bei bipolarer Störung eingesetzt. Die Besonderheiten dieser Substanz sind ihre langsame Aufsättigungskinetik und das Auftreten von Nebenwirkungen an der Haut (Exanthem bis Lyell-Syndrom) bei schneller Dosisänderung. Ethinylestradiol (EE) beschleunigt den Abbau von Lamotrigin durch Induktion der UDP-Glucuronosyltransferase (UGT) 1A4. Der Lamotrigin-Plasmaspiegel wird dadurch schon nach wenigen Tagen halbiert, was zu einem Wirkungsverlust führt. Umgekehrt erfolgt eine De-Induktion in der EE-einnahmefreien Zeit, was den Lamotrigin-Spiegel schnell ansteigen lässt und die Dermatotoxizität auslöst [2]. Alternativen für die Verhütung sind das Umsetzen auf ein orales Kontrazeptivum mit Östradiolvalerat oder Östradiol oder ein IUP.

Lamotrigin und Ethinylestradiol: Gegenseitige Effekte

Eine Wechselwirkung ohne Bezug zur Kontrazeption ist die zwischen Tamoxifen und Antidepressiva: Die gleichzeitige Gabe von Fluoxetin, Paroxetin oder Bupropion führt zum Wirkungsverlust von Tamoxifen, da dessen Umwandlung in den aktiven Metaboliten Endoxifen in der Leber durch Hemmung des Enzym CYP2D6 unterbleibt. Dies erhöht die Krebsmortalität der betroffenen Frauen [3]. Durch Austausch der drei Antidepressiva gegen Sertralin oder Mitrazepin lässt sich dieses Risiko vermeiden.


Quellen

Dr. Barbara Voll-Peters nach dem Vortrag Dr. Dominik Dabbert, Klinikum Bremen-Ost, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie: „Hormonelle Kontrazeption unter Psychopharmakotherapie: Wechselwirkungen“

Literatur:

[1] Hall S, Wang Z, et al. The interaction between St. John’s wort and an oral contraceptive. Clin Pharmacol Ther 2003;74 (6):525-35
[2] Zhang H, Cui D, et al. Pharmacokinetic drug interactions involving 17alpha-ethinylestradiol: a new look at an old drug. Clin Pharmacokinet 2007;46:133-146.
[3] Kelly C et al. Selective serotonin reuptake inhibitors and breast cancer mortality in women receiving tamoxifen: a population-based cohort study. BMJ 2010;340:c693. Doi:10.1136/bmj c693.